Das zweite Gehirn

Jeder von uns kennt das Gefühl, wenn wir uns über jemanden ärgern, gestresst sind oder uns etwas Trauriges widerfährt. Wir spüren das Gefühl, wie es uns die Kehle zuschnürt, das Herz bis zum Hals klopfen lässt und den Magen zusammenzieht.

Wir wissen heute, dass der Darm jede im Gehirn aufkommende Emotion widerspiegelt. Der Darm besitzt sein eigenes Nervensystem, das enterische Nervensystem (ENS), auch Bauchhirn oder zweites Gehirn genannt.

Aber wie kommunizieren Darm und Gehirn miteinander?

Der Darm kommuniziert mit dem Gehirn über dicke Nervenstränge aber auch durch Hormone und Moleküle .
Die im Darm lebenden Bakterien nennt man Darmmikroben. Sie helfen bei der Verdauung von Nahrung, sind an der Stoffwechselsteuerung beteiligt, trainieren und regulieren unser Immunsystem und verarbeiten und entgiften gefährliche Chemikalien. Außerdem versuchen sie das Eindringen und die Vermehrung von gefährlichen Krankheitserregern zu vermeiden.

Die Darmmikrobiota (oft Darmflora genannt) unterscheiden sich erheblich von Mensch zu Mensch. Kein Mensch hat die gleiche Darmflora wie der andere.
Welche Mikroben den Darm besiedeln hängt von vielen Faktoren ab, wie die Gene von der Darmflora der Mutter, von den Mikroben im lebenden Haushalt, unserer Ernährung und von der Aktivität des Gehirns sowie von unserem Gemütszustand.

Die Vielfalt und Menge der Mikroben im Darm verändert sich im Laufe des Lebens. In den ersten drei Lebensjahren wird ein stabiles Darmmikrobiom aufgebaut. Hier ist die Vielfalt noch gering. Das Maximum erreicht es im Erwachsenenalter, um bei älteren Menschen langsam wieder abzunehmen.

Die Mikroben ähneln den Immunzellen und sind kaum von diese zu unterscheiden. Viele befinden sich auf der Darmschleimhaut, was der perfekte Platz ist, um wichtige Informationen über den Gemütszustand zu sammeln. Sie können von dort aus quasi „mithören“ wenn das Gehirn den Darm davon unterrichtet, dass Sie gestresst, glücklich, ängstlich oder wütend sind, selbst wenn Ihnen diese Gemütszustände grade gar nicht bewusst sind.

Aber die Mikroben hören nicht nur zu, sie sind in der Lage unsere Emotionen zu beeinflussen, indem sie Signale erzeugen und modulieren, die der Darm dem Gehirn übermittelt. Was als Emotion im Gehirn beginnt, beeinflusst also den Darm und die Signale, die von den Mikroben ausgehen, diese machen Rückmeldung ans Gehirn, wobei sie den emotionalen Zustand verlängern oder auch verstärken können.

Wenn Sie sich ärgern, weil Ihnen jemand grade die Vorfahrt genommen hat, schickt Ihr Gehirn nicht nur ein Signal an Ihre Gesichtsmuskeln, sondern auch an Ihr Verdauungssystem, was eine große Auswirkung auf den Körper hat. Der Magen zieht sich heftig zusammen und produziert mehr Säure. Das hat wiederum eine Auswirkung auf das, was Sie vorher gegessen haben. Das Rührei zum Beispiel, wird nun langsamer an den Dünndarm weitergegeben.

Etwas ähnliches geschieht, wenn Sie sich fürchten oder verstimmt sind. Und wenn Sie deprimiert sind, bewegt sich im Darm fast gar nichts mehr.

Das Gehirn verfügt über mindestens 7 emotionale Betriebsprogramme:

Sie steuern unsere Reaktion auf Furcht, Wut, Sorgen, Spiel, Lust, Liebe und mütterliche Fürsorge. Dieses Betriebsprogramme sind in den Genen codiert (von unseren Eltern geerbt) aber auch von den Ereignissen in der Kindheit beeinflusst. So kann es sein, dass zwei Individuen und deren Darmreaktion unterschiedlich auf Stresssituationen reagieren.

Auch emotionale Situationen, die vielleicht schon jahrelang zurück liegen (z.Bsp. ein Restaurantbesuch, bei dem Sie sich vor Jahren mit Ihrem Mann heftig gestritten haben) können die Aktivität der Darm-Hirn-Achse beeinflussen. Oder auch schon bei der Art des Restaurantes (z.Bsp. Italienisch) oder auch an Hand des Essens, dass Sie damals beim Streit gegessen haben (z.b. Risotto). Es kann daher sein, dass gar nicht das Essen Schuld für Ihre Verdauungsstörungen ist, sondern der Streit damals und die heutigen Symptome dazu.

Rund um die Uhr und ohne Pause kommunizieren der Magen-Darm-Trakt, das Bauchhirn und das Gehirn miteinander. Denken Sie daran, was für Auswirkungen es hat, wenn die Emotionen wie Wut, Sorgen, Stress oder Furcht wiederholt auftreten und dauerhaft sind.